Heute jĂ€hrt sich Ăsterreichs GrĂŒndung der Zweiten Republik zum 75. Mal. Am 27.April 1945 hatten die damals prominenten Parteien, die ĂVP, die SPĂ und die KPĂ mit der UnabhĂ€ngigkeitserklĂ€rung von Deutschland den Grundstein fĂŒr unsere heutige Staatsform gelegt. Die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht dagegen erfolgte erst in den ersten Mai Tagen und trat am 8.5. 1945 in Kraft. Der zweite Weltkrieg war damit fĂŒr Ăsterreich beendet, die KrisenbewĂ€ltigung konnte beginnen. Mit der Unterzeichnung des Staatsvertrages am 15.5.1955 – also 10 Jahre spĂ€ter – im Schloss Belvedere von Vertretern der alliierten BesatzungsmĂ€chte USA, Sowjetunion, GroĂbritannien und Frankreich sowie der österreichischen Bundesregierung war die Republik Ăsterreich offiziel mit 27. Juli 1955 wieder frei. LegendĂ€r sind die Worte des vormaligen ersten Bundeskanzlers der Zweiten Republik Leopold Figl
“Ăsterreich ist frei!”
Erleichterung ĂŒber das Ende des zweiten Weltkriegs und die Möglichkeit des Wiederaufbaus lieĂen Hoffnung und Zuversicht in den Herzen der Menschen wachsen. Ich kann mich daran erinnern, dass meine GroĂmutter mir erzĂ€hlte, welche Aufbruchstimmung damals herrschte und wie auch sie davon erfasst wurde, auch wenn mein GroĂvater noch in Russland in Gefangeschaft war. Er sollte erst 1948 zurĂŒckkehren.
Heute, eben am 75. Jahrestag der UanabhĂ€ngigkeitserklĂ€rung, stehen wir vor einer Situation, die uns nicht das Ende einer Krise verheiĂt. Im Gegenteil. Vernimmt man die Worte mancher Virologen oder Epidemiologen, so muss in einem das Bewusstsein reifen, dass wir erst am Beginn dieser Pandemie und damit am Beginn einer Krise stehen, die unsere bisher gewohnte Lebensweise gehörig durcheinander bringen wird. Mittels der EinschrĂ€nkungen durch die ErlĂ€sse und Verordnungen der letzten sechs Wochen eigentlich schon durcheinander gebracht hat.
Und doch sollte die Erinnerung an UrgroĂeltern, GroĂeltern und Eltern und die Tatsache, dass sie die ungeheuren Zerstörungen, die der zweite Weltkrieg verursacht hatte, mit erheblichem Aufwand bewĂ€ltigt haben, in der Lage sein, uns Zuversicht zu geben, die derzeitige Krise auch bewĂ€ltigen zu können. Was es dazu braucht, haben uns die damaligen Politiker und Politikerinnen gezeigt und sollte fĂŒr die heute an den maĂgeblichen Positionen TĂ€tigen ein Beispiel sein. Sie haben, trotz aller gegenteiligen Positionen, Meinungen und auch ideologischen Vorgaben zusammengearbeitet – kooperiert. Dies bedeutet die Zulassung von Diskurs, der durchaus auch als StreitgesprĂ€ch gefĂŒhrt werden kann. Dazu bedarf es der Anerkennung anderer Meinungen und Standpunkte und gleichzeitiger WertschĂ€tzung des GegenĂŒber als Mensch. Und der Anforderung an die Medien, diesen Diskurs als Prozess zur Lösungsfindung zu beurteilen und nicht als “… die streiten schon wieder” zu kommunizieren. In komplexen Situationen, wie diese eine darstellt, ist die einfache Antwort meist die Anwort, die zu mehr Problemen fĂŒhrt. Auch wenn einfache Lösungen auf den ersten Blick plausibel erscheinen.
An UnterstĂŒtzung in der Bevölkerung wird es nicht mangeln, sobald sich herausstellt, dass die getroffenen Entscheidungen zu einer Lösung fĂŒr alle Beteiligten beitragen können. Dazu gehört auch die transparente Darstellung des Weges, der zu den Entscheidungen gefĂŒhrt hat. Die farbliche Konnotation (Zugehörigkeit zu einer – politischen – Partei) der handelnden Personen sollte dabei keine Rolle spielen – gegenteilige Positionen und Meinungen können manchmal hilfreich sein, einen Weg aus der eigenen Sackgasse zu finden. Es ist auch keine Schande “Nicht zu wissen” – wie Platon schon in der Apologie des Sokrates diesen sagen lĂ€sst:
Wahrscheinlich weiĂ ja keiner von uns beiden etwas Rechtes; aber dieser glaubt, etwas zu wissen, obwohl er es nicht weiĂ; ich dagegen weiĂ zwar auch nichts, glaube aber auch nicht, etwas zu wissen …