Die Auseinandersetzung mit Systemen, deren Strukturen, den damit verbundenen Möglichkeiten von Erkenntnis und daraus ableitbaren Aktionen führen geradewegs zu Gedanken, wie sie in der Theorie der Netze formuliert werden. Das klingt reichlich abstrakt – deshalb wird es wohl notwendig sein, ein Beispiel aus der Praxis – möglichst einfach – zu beschreiben, mit dem sich diese Zusammenhänge möglichst verständlich darstellen lassen.

Angenommen, wir betrachten ein international tätiges Industrieunternehmen – das würde unser System sein. Dieses System setzt sich aus mehreren Abteilungen an unterschiedlichen Standorten zusammen, deren Aufgabe darin besteht, den Markt zu sondieren (= Erkenntnis der Außenwelt) – die zu erzeugenden Produkte mittels dieser Wahrnehmungen für den Markt zu adaptieren – die internen Abläufe zu planen und die reibungslose Umsetzung zu garantieren – Rohstoffe so zu besorgen, dass die Versorgungssicherheit zu einem adäquaten Preis gegeben ist – den Maschinenpark zu warten und zu erneuern – MitarbeiterInnen zu motivieren, einzustellen, eventuell zu wechseln – usw …(= Organisation der Innenwelt). Die Produkte dieses Unternehmens werden in die ganze Welt geliefert und über ein Händlernetz vertrieben(= Reaktion mit der Außenwelt).

Das System sondiert den Markt – d.h. die Veränderungen der Außenwelt werden beobachtet – immer in Relation und in Bezug auf die innerhalb des Systems vorhandenen Elemente = Abteilungen = Abläufe. Entwicklungen in der Außenwelt, die das System nicht kennt und / oder die für das System nicht relevant scheinen, werden nicht gesehen und damit nicht berücksichtigt (sind ja für die Produktion nicht wichtig!). Die vorhandenen Elemente innerhalb des Systems verarbeiten diese möglichen Eindrücke in einem Prozess, der auf den vorhandene Strukturen – d.h. den bisher als wichtig festgestellten Regeln – aufbaut (= Selbstorganisation / Selbstreferenz / internes Feedback). Das Produkt = der Output wird der Außenwelt präsentiert und kommuniziert – das externe Feedback erhält das System wieder vom Markt (der Außenwelt).

Betrachtet man die Abläufe innerhalb des Unternehmens, die Organisationsstruktur der einzelnen Standorte und Abteilungen, so kann dies als Netzwerk dargestellt werden. Die Verbindungen der Abteilungen werden durch die notwendigen Arbeitsabläufe und die dazugehörige Kommunikation symbolisiert und erhalten, je nach Relevanz für den Gesamtprozess, eine bestimmte Wertigkeit. Es entsteht eine Hierarchie.

Das Wort Hierarchie kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet “göttliche Ordnung” – soviel wie von Gott gewollt und nicht weiter zu hinterfragen. Diese Art von Struktur birgt enormes Konfliktpotential in sich. Eine steile Hierarchie tendiert dazu, Obrigkeitsdenken und patriarchale Entscheidungsstrukturen zu verlangen – die in den “unteren” Ebenen, die für die Mühen der Produktion verantwortlich zeichnen, oft auf Unverständnis stoßen. Seit mehreren Jahrzehnten gibt es zu dieser Thematik Seminare und Lehrveranstaltungen, die zum Ziel haben, Gruppendynamik und Organisationabläufe zu analysieren und die Vorteile sogenannter flacher Entscheidungshierarchien betonen. Damit wird die Organisationsstruktur um essentielle Eigenschaften wie Eigeninitiative und Eigenverantwortung auf allen Entscheidungsebenen gestärkt – und die Adaptionsfähigkeit des Systems entscheidend verbessern. Möglichst flache Hierarchien ermöglichen auch das die Entwicklung von neuen Struktureigenschaften, was Josef Schumpeter unter dem Begriff der “kreativen Zerstörung” subsummiert hat. Falls sich die Neuordnung von Abläufen durchsetzt, werden alte Strukturen durch neue ersetzt (=zerstört). Die Zerstörung ist also zwingend notwendig – im Gegensatz zu der Vorstellung, sie wäre ein Fehler. Nur so kann Neuordnung Innerhalb des Systems entstehen. Diese “kreative Zerstörung” bezieht sich ausschließlich auf die Strukturen innerhalb eines Systems und betrifft keinesfalls einen destruktiven Akt gegenüber der Umwelt.

In der Netzwerktheorie findet man auch Netzwerke vor, die mit solchen flachen Entscheidungsstrukturen verglichen werden können. Sogenannte “Distribuierte Netze” – verteilte Netzwerke, in denen die einzelnen Elemente – im Gegensatz zu der steilen Hierarchie der “skalenfreien Netze” (diese sind gleichbedeutend mit exponetiellen Entwicklungen) – mit annähernd gleicher Wertigkeit im Netz angeordnet sind. Zu Beginn des Internets wurden auch Überlegungen angestellt, das Netz als distribuiertes Netzwerk zu gestalten. Auf der technischen Ebene scheint dies auch einigermaßen gelungen zu sein – auf den darauf aufsetzenden Ebenen allerdings nicht – dazu mehr im dem Beitrag “Distribuierte Netzwerke”.