Die größte Herausforderung bei der Nutzung des Internets war in den späten 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts das Auffinden von Information in diesem rasant wachsendem Meer von Webseiten. Die meist genutzten Dienste damals waren international AltaVista, Yahoo, Lycos, im deutschsprachigen Raum Fireball, Austronaut und eine sogenannte Metasuchmaschine (Metager – eine Suchmaschine, die Ergebnisse mehrerer anderer Suchmaschinen sammelt und auswertet). Die Indizes dieser Suchmaschinen waren damals darauf ausgerichtet, bei der Suche die Ergebnisse nach der Relevanz der verwendeten Begriffe innerhalb der einzelnen Dokumente / Webseiten zu reihen. Die Ergebnisse konnten bei der Eingabe zusätzlich mittels jeweils unterschiedlicher Suchsyntax beeinflusst – auch eingeschränkt werden. Als Suchende/r musste man sich also mit den Regeln der jeweiligen Suchsyntax auseinander setzen. Es war also notwendig, nicht nur zu wissen, was man genau suchen wollte, sondern auch wie man dies suchen sollte.
Im Jahr 1997 verfassten Lawrence Page und Sergey Brin, damals am Computer Science Department der Stanford University – Kalifornien, ein Paper in dem sie das Konzept einer Suchmaschine vorstellten. Dieses Konzept sollte einerseits die zu erwartende Notwendigkeit zur Skalierung der zu durchsuchenden Datenmengen garantieren, andererseits auch die Qualität der Ergebnisse verbessern und gleichzeitig die Suche wesentlich vereinfachen – also eine Suchsyntax obsolet machen. Das ist heute die Suchmaschine, mit der die Welt sucht – Google.
Was war so neu an dem Konzept, dass diese Suchmaschine in der Lage war, alle bis dahin dominierenden Suchdienste innerhalb kurzer Zeit gleichsam zu Statisten zu degradieren? Dafür gibt es mehrere Gründe – zwei Aspekte, was die Funktionalität der Suche und die Qualität der Ergebnisse anbelangt, sind hervorzuheben. Zum einen war die Suche sehr einfach gestaltet – es gab auf den Startseiten der Suche nur das Eingabefeld und keinerlei Werbeangebote. Im Gegensatz dazu waren die Seiten anderer Suchmaschinen bereits mit Werbung versehen – dies manchmal im Übermaß. Zum anderen war die Qualität der Suchergebnisse wirklich besser als man es bis dahin gewohnt war. Kein Wunder also, dass die Internet-Community sich Google zuwandte.
Begründet werden kann dieser Erfolg hauptsächlich mit der Reihung und damit mit der wesentlich verbesserten Relevanz der Suchergebnisse. Wie aus dem Paper ersichtlich ist, lag dies vor allem an zwei Punkten der Systembeschreibung:
PageRank: Bringing Order to the Web
The Anatomy of a Large-Scale Hypertextual Web Search Engine Sergey Brin and Lawrence Page
Dieser PageRank, der die Häufigkeit der Links von anderen Webseiten auf die spezifische Seite berechnet, beruht auf dem Prinzip des in der Wissenschaft bekannten Zitationsindex. Häufiger zitierte Werke werden somit höher bewertet – damit steigt auch die Wertigkeit der WissenschafterIn / der VerfasserIn – je höher die Wertigkeit der WissenschafterIn, desto höher der Wert der Zitation. Es ist dies also ein Bewertungssystem, das große Ähnlichkeit mit der in der Systemtheorie relevanten Selbstreferenz hat.
Gleichzeitig wird eine Bewertungsmethode eingeführt, die uns heute bei allen online Angeboten begegnet. Diese Methode bewertet das Nutzerverhalten auf Basis von getätigten Aktionen – die Daten können gespeichert und Nutzer mit Hilfe von Verbindungsdaten wieder identifiziert werden – und lässt diese Verhaltensinformationen in die Ergebnisse und deren Reihung einfließen.
Was damals begonnen hat, wurde in den letzten zwei Jahrzehnten auf Basis netzwerktheoretischer Erkenntnisse und mittels künstlicher Intelligenz optimiert und wird heute nicht nur bei Suchvorgängen und nicht nur von Google angewandt. Die Dominanz von Google als Suchmaschine – China mit Baidu und Russland mit Yandex haben ihre eigenen – beruht also auf der Umsetzung von Forschung zum Thema Netzwerke in die Praxis der Netzwerke.
Interessant dabei ist der Umstand, dass sowohl die technische Umsetzung, als auch menschliches Verhalten und persönliche Erwartungen mittels Netzwerken darstellbar sind. Wissenschaftliche Forschung der letzten circa sieben Jahrzehnte bezüglich Systemen, Kybernetik und Netzwerken hat somit die Gestaltung unserer aktuellen Lebenswelt maßgeblich beeinflusst.