Die Funktion der unsichtbaren Hand des Adam Smith ist ein Aspekt, der in Diskussionen bezüglich Selbstorganisation von Märkten immer wieder ins Treffen geführt wird. Besonders dann, wenn es notwendig scheint, Märkte und Wirtschaftskreise durch staatliche Regeln und Vorschriften zu steuern, wird gerne auf die Kraft der Selbstorganisation zum Wohle aller hingewiesen.

Mit dem Blick auf Wirtschafts- und Bankenkrisen im 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist diese Fähigkeit den global organisierten Märkten wohl kaum zuzuschreiben. Die Krise der Jahre 2007 und 2008 hat gezeigt, dass weder der Immobilienmarkt in den USA noch der weltweite Finanzmarkt ohne Hilfe von außen sich aus sich selbst heraus hätte stabilisieren können. In der Folge wurden Staaten und damit die steuerzahlende Allgemeinheit zur Rettung der betroffenen Märkte gebraucht – also durchaus sichtbare helfende Hände. Zieht man den Kontext in Betracht, unter dem Adam Smith seine Ideen formuliert hat, so ist seine unsichtbare Hand nicht auf alle Märkte ohne Differenzierung anzuwenden. In seinem Werk „Wohlstand der Nationen“ weist Smith ausdrücklich darauf hin, dass Investitionen und damit Kapital, das im regional begrenzten Umfeld – in der „domestic industry“ – eingesetzt wird, auch der Allgemeinheit zugutekommt. Investoren unterstützen – nur – so in der Verfolgung ihrer eigenen Interessen auch die Gesellschaft im Allgemeinen. (Smith, 1974, Kap 4,2)

Die Voraussetzung für das Funktionieren eines Marktes, wie Smith ihn betrachtet, ist somit an gänzlich unterschiedliche Bedingungen geknüpft, als sie heute vorgefunden werden. Ein regionaler, heimischer Markt, wie Smith ihn beschreibt, bedingt in der Regel, dass handelnde Personen gleiche oder zumindest ähnliche kulturelle Wurzeln haben und damit über ähnliche Moralvorstellungen verfügen. So ein Markt ermöglicht einfache Kommunikation auf Basis derselben Sprache und erhöht damit die Wahrscheinlichkeit von Kooperation. Nimmt ein Akteur von außerhalb an diesem Markt teil, so wird er sich an die Gegebenheiten anpassen, da dies zu seinem Erfolg beiträgt.

Im Gegensatz dazu sind aktuelle, global organisierte Märkte nicht in gleichem Umfang in regionale Strukturen eingebunden. Gleichzeitig haben sich Marktvarianten etabliert, die, wie z. B. der Finanzmarkt, keine konkrete Basis in der Realwirtschaft aufweisen. Damit agieren diese Märkte und die darin tätigen Akteure ohne Bezug zu gesellschaftlichen Notwendigkeiten und können somit auch keinen gesellschaftlich relevanten Beitrag leisten. Betrachtet man die Vernetzung der Welt als Basis für einen Markt von Information und Kommunikation, so stellt man fest, dass die bestimmenden Marktteilnehmer vermehrt aus regional / national begrenzten Gebieten kommen. Dies bedeutet zwar einen weltweit aktiven, Umsätze erwirtschaftenden Markt, die Wertschöpfung allerdings, beschränkt sich zum Großteil auf wenige Regionen.

Die unsichtbare Hand als Selbstregulation von Märkten scheint somit nur dann in der Lage zu sein, das Gleichgewicht der Märkte aufrecht zu erhalten, solange der Markt eine gewisse Größe nicht übersteigt. Oder der Markt muss geregelt werden – wie der Versuch der OECD zeigt, das Modell einer Digitalsteuer zu entwerfen, das den Ansprüchen aller Markteilnehmer gerecht werden soll. (OECD, 2019)