Mit künstlicher Intelligenz (KI /AI) ausgestattete Technik wird als zunehmend autonom beschrieben. Dabei gilt es mehrere Aspekte zu unterscheiden.
Einerseits wurde die Definition eines Ziels bereits dem Menschen zugeordnet. Eine Technik (Maschine, Robot, Computer), die in der Lage ist, selbstbestimmt Ziele zu definieren, gibt es – derzeit jedenfalls – noch nicht und würde wohl Grundlage aller möglichen dystopischen Szenarien sein. Und würde zudem die Entwicklung von Artificial Super Intelligence (ASI) benötigen. Die Umsetzung einer Idee, vor der einige der bekanntesten Köpfe der digitalen Welt, namentlich Elon Musk, Bill Gates, Steve Wozniak und besonders apokalyptisch der Physiker Stephen Hawking eindrücklich gewarnt haben. (Cellan-Jones, 2016) Dies führt ohne Umweg zu einem zweiten Aspekt, nämlich dem Begriff der Autonomie. Ein zusammengesetzter Begriff aus autós (selbst) und nómos (Gesetz), dem selbst bestimmten Gesetz, einem Zustand von Unabhängigkeit, Entscheidungs- und Handlungsfreiheit. In der Diktion von Immanuel Kant „Die Autonomie des Willens ist das alleinige Prinzip aller moralischen Gesetze und . . . Pflichten“. (Kant, 2003, I §8)
Der Begriff von autonomen Maschinen, Robots ist somit unter allen derzeitigen Umständen falsch. Korrekt kann ein technisches System mit einer von Menschen definierten Zielvorgabe maximal als teilautonomes System bezeichnet werden. Dies dann, wenn die bei einer Problemlösung eingesetzten Algorithmen in der Lage sind, je nach auftretender Problematik eigene Regeln zur Erreichung des Ziels zu definieren.
Der Wunsch, Technik als ubiquitäre Lösung für alle Probleme einsetzen zu können, entspringt wohl dem Wunsch des Menschen, ein Werkzeug zur Verfügung zu haben, welches Problemlösungen erleichtert. Damit einher geht allerdings auch eine Transformation des Begriffs von Verantwortung. Denn wer soll im Falle des Scheiterns die Verantwortung übernehmen? Die Person, die den Einsatz dieser Technik initiiert hat, oder die Person oder Personengruppe, die das technische Werkzeug geplant, produziert, verkauft etc. … hat? Eine Frage die im Besonderen mit der Thematik der teilautonomen Fahrzeuge nicht nur auf uns alle zukommt, sondern bereits vielfach diskutiert wird.
Wobei die derzeit besonders von utilitaristischen Gedanken geprägten Diskussionen ziemlich absurd und einseitig anmuten. Auch wenn man nicht eine Art Gesamtnutzen, wie ursprünglich im Utilitarismus angedacht, auf einzelne Situationen umlegt, sondern das Wohl möglichst aller Beteiligten versucht zu kalkulieren, ist dabei doch eine Art Berechnung von Quantität vonnöten. Die bereits angesprochenen kulturellen Unterschiede in verschiedenen Regionen der Welt würden somit differenzierte ethische Grundlagen, je nach geografischem Ort der Aktion, erfordern. Ein kurzes Beispiel mag dies verdeutlichen: Ein teilautonomes Fahrzeug kann einem Unfall nicht mehr ausweichen. Es steht die Entscheidung an, den Schaden welcher beteiligten Personen die Steuerung dieses Fahrzeugs in Kauf nehmen soll. Eine alte Frau auf einer Seite, einen kleinen Jungen auf der anderen Seite. Nicht zu vergessen, dass zumindest ein Passagier im Fahrzeug sitzt. Je nach kulturellem Kontext verändern sich die Wertigkeiten, die in diesem Fall die Entscheidung beeinflussen würden. So gibt es Gegenden, in denen argumentiert werden könnte, dass die alte Frau ihr Leben bereits gelebt hätte und der kleine Junge sein Leben noch vor sich hätte. Andererseits gibt es Kulturkreise in denen die Erfahrung des alten Lebens sehr viel höher eingeschätzt wird, als ein junges Leben.
Diese Art, solche ethischen Dilemmata lösen zu wollen, hat wohl keine Aussicht, erfolgreich umgesetzt zu werden. In diesem Sinne formuliert die vom deutschen Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur eingesetzte Ethikkommission unter anderem: „Bei unausweichlichen Unfallsituationen ist jede Qualifizierung nach persönlichen Merkmalen (Alter, Geschlecht, körperliche oder geistige Konstitution) strikt untersagt. Eine Aufrechnung von Opfern ist untersagt. Eine allgemeine Programmierung auf eine Minderung der Zahl von Personenschäden kann vertretbar sein. Die an der Erzeugung von Mobilitätsrisiken Beteiligten dürfen Unbeteiligte nicht opfern.“ (BMVI, 2017, Punkt 9)
Es stellt sich damit als ethisch schwer begründbar heraus, teilautonomes und vernetztes Fahren ohne Miteinbeziehung eines notwendigen Eingriffs durch den Fahrer zu argumentieren. Das bedeutet, ein Fahrer muss das System dauerhaft überwachen und übernimmt damit im Falle des Falles auch die Verantwortung.
Die Einführung höherer automatisierter Fahrsysteme, insbesondere mit der Möglichkeit automatisierter Kollisionsvermeidung kann gesellschaftlich und ethisch geboten sein, wenn damit vorhandene Potenziale der Schadensminderung genutzt werden können. Umgekehrt ist eine gesetzlich auferlegte Pflicht zur Nutzung voll automatisierter Verkehrssysteme oder die Herbeiführung einer praktischen Unentrinnbarkeit ethisch bedenklich, wenn damit die Unterwerfung unter technische Imperative verbunden ist (Verbot der Degradierung des Subjekts zum bloßen Netzwerkelement). (BMVI, 2017, Punkt 6)
Eine zusätzliche Steigerung der Automatisierungsstufe würde eine andere Stufe von künstlicher Intelligenz zwar ermöglichen, die dabei erforderliche Änderung von Regeln würde jedoch eine Art des Lernens erfordern, die als Reinforcement Learning bezeichnet wird. Diese Art des Lernens bedingt allerdings, dass dem lernenden Akteur – in diesem Fall dem Fahrzeug – die Möglichkeit eingeräumt wird, aus Fehlern zu lernen.
Es kann wohl als sicher angenommen werden, dass sich kein Fahrgast finden würde, der so ein Fahrzeug zur Fortbewegung nutzen würde.
Der Einsatz von Technik ist in der Regel dahin gehend ausgerichtet, Fehler, welcher Art auch immer in vorher definierten Abläufen tunlichst vermeiden zu können. Ist dies nicht zum Großteil gewährleistet, so wird der Einsatz von Technik von den meisten Menschen abgelehnt. Sollten in ferner Zukunft Maschinen existieren, die mittels künstlicher Superintelligenz einen autonomen Status vergleichbar mit Menschen erreichen könnten, so scheint es aus heutiger Sicht – und eine andere Sichtweise steht uns nicht zur Verfügung – um die Selbstbestimmung und Handlungsfreiheit von Menschen schlecht bestellt zu sein.