Die Veränderung der Gesellschaft durch Vernetzung und Digitalisierung hat einen Diskurs über die Notwendigkeit von Ethik und ethisch bedingtem Handeln im Zusammenhang mit digitalem Wandel, künstlicher Intelligenz und Machine Learning aufkommen lassen.
Ethik wird im allgemeinen Sprachgebrauch gerne synonym mit dem Begriff der Moral verwendet. Ein Blick auf die eigentliche Bedeutung zeigt, dass Ethik sich als Wissenschaft mit den Bedingungen und der Bewertung von sittlich begründbarem Handeln von Menschen auseinandersetzt. Dies verlangt zwar ausgiebige Reflexion von moralischem Handeln, ist jedoch keineswegs mit der Bedeutung von Moral gleichzusetzen. Schon in der griechischen Antike wurde Ethik als Charakter oder sittliche Gesinnung verstanden und üblichen Gewohnheiten, Sitten und Gebräuchen gegenüber gestellt. So gelten die griechischen Philosophen Sokrates und Aristoteles als Begründer der Ethik als philosophische Disziplin.
Moral – vom lat. mos / mores – entspricht den Begriffen Sitte, Gewohnheit, Brauch und stellt sich als gesellschaftlich geprägte Verhaltensnorm dar. Sitte / Moral ist somit vom gesellschaftlichen Kontext abhängig und kann damit in unterschiedlich geprägten Gesellschaften andere sittliche Normen hervorbringen – unterschiedliche sittliche Normen von Gruppen führen so zu unterschiedlichen Moralen.
Daraus können sich moralisch bedingte Dogmen entwickeln und damit zu einer Art erhobenem Zeigefinger mutieren. (Förster, 1993b) Der Begriff der sittlichen Normen von Gruppen verlangt eine Definition der Zusammengehörigkeit. Sprachen könnten dafür herangezogen werden. Ein Blick auf die Anzahl von lebenden Sprachen vermittelt ein sehr komplexes Bild. Auf der Welt werden zurzeit ca. 5.600 (Ethnologue, 2019) Sprachen gesprochen, die Vielfältigkeit wird durch unterschiedliche Dialekte noch gesteigert. Es scheint nachvollziehbar, dass mit jeder Sprache auch unterschiedliche Sitten und Gebräuche verbunden sind. Dies führt zu unterschiedlichen moralischen Anforderungen. Zieht man dazu noch andere Gruppenspezifika in Betracht, so kann man mit Fug und Recht davon ausgehen, dass auch die Mafia ihre eigene Moral hat. (Thurnhofer, 2018)
Ethik untersucht im Gegensatz dazu gleichsam die Bedingung der Möglichkeit unterschiedlicher moralischer Normen und versucht, allgemeingültige Aussagen für gutes und schlechtes Handeln zu finden, die als Prinzip auf alle zwischenmenschlichen Aktionen anzuwenden sind. Ethik ist somit als reflexive (wissenschaftlich beobachtende) Betrachtung moralischer Regeln zu verstehen und stellt die Frage nach dem richtigen Handeln. Eine kurze Betrachtung zweier solcher Prinzipien, formuliert von allseits bekannten Philosophen, soll dies verdeutlichen.
Immanuel Kant hat mit seinen Gedanken die Zeit der Aufklärung maßgeblich beeinflusst – seine Formulierungen des sogenannten Kategorischen Imperativs definieren ein grundlegendes Prinzip der Ethik und gelten für alle Wesen, denen Vernunft zugesprochen wird. Jeder Mensch sollte demnach seine Handlungen daraufhin untersuchen und beurteilen, ob sie immer und ausnahmslos diesem Prinzip folgen würden. Die sogenannte Zweckformulierung dieses Prinzips lautet: „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“ (Kant, 2007, GMS 433)
Die damit aufgestellte Forderung, Menschen niemals als Mittel zum Zweck zu missbrauchen, führt besonders im politischen und ökonomischen Kontext zu herausfordernden Fragen.
Im Bereich der Ökonomie spielt der Begriff der unsichtbaren Hand von Adam Smith, einem schottischen Moralphilosophen, der sich auch intensiv der Nationalökonomie widmete, eine nicht unbedeutende Rolle. Die von Adam Smith formulierten Prinzipien der Ökonomie veranlassen wohl auch, dass seine unsichtbare Hand von liberal denkenden Ökonomen ins Treffen geführt wird, sobald es um Automatismen des Marktes geht. Die Idee des Sozialethikers Smith findet sich mehrmals in seinen Schriften im Zusammenhang mit ökonomischen Überlegungen – einerseits in Bereich der Mikroökonomie (Smith, 2010) – Theorie der ethischen Gefühle – ein zweites Mal in makroökonomischem Kontext (Smith, 1974) mit der Beschreibung mikroökonomischer Effekte – er bezieht sich dabei auf die ethisch bewertbaren Auswirkungen dieser ökonomisch bedingten Handlungen.
Smith stellt fest, dass Handlungen von am eigenen Wohl orientierten Personen, durch eine gleichsam nicht erklärbare Selbstregulierung, auch dem Wohle der Allgemeinheit zuträglich sind. Die Gedanken und Formulierungen von Kant und Smith wurden naturgemäß kritischen Betrachtungen unterzogen, zum Teil als nicht praktikabel oder auch als logisch nicht konsequent dargestellt. Auf diese Kritik hier im Detail einzugehen, würde den Rahmen sprengen.
Trotzdem sind diese beiden Prinzipien heute noch präsent und gemeinsam mit anderen Formulierungen zu Grundlagen unseres Verständnisses von Gesellschaft geworden. Diese Prinzipien werden durch Verfassungen und Gesetze so gut wie möglich garantiert und stellen somit die Basis für das Vertrauen von Menschen in ihre Lebensumgebung dar. Mit vermehrtem Einsatz von Technologien im Kontext unserer Lebenswelten werden den grundlegenden Überlegungen von Kant und Smith sogar besondere Aspekte hinzugefügt.