Die Überlegungen, die Paul Baran in den 1960er-Jahren bezüglich Sicherheit und Verfügbarkeit der Netze angestellt hatte, waren die Grundlage für den Aufbau des Internets, wie wir es heute kennen. Die Bevorzugung der sogenannten Distribuierten Netzwerke wurde bereits thematisiert. Es ist aus dem schematischen Aufbau dieses Netzwerktypus ersichtlich, dass die Wertigkeit einzelner Knoten annähernd gleich ist. Annähernd deshalb, weil dies sich mittels einer Skalenverteilung visualisieren lässt.

Es gibt einige mehr und einige weniger wichtige Knoten in solchen Netzwerken, die Verteilung der einzelnen Wertigkeiten lässt sich mittels einer skalenfreien Kurve darstellen und entspricht dem Kurvenmodell, das man von Poisson (Watts, 2003, S 104) kennt.

Schnell wachsende, emergente Phänomene, wie sie sich innerhalb der letzten 50 Jahre mit Fortgang von Globalisierung, Digitalisierung und den Auswirkungen in Wirtschaft und Gesellschaft dargestellt haben, resultieren in Netzwerkstrukturen, die dieser Art von Modellen nicht mehr entsprechen. Das konnten Albert Laszlo Barabasi und Eric Bonabeau mit ihrer Arbeit (Barabasi und Bonabeau, 2003) zeigen. Sie hatten festgestellt, dass in vielen natürlich entstandenen Netzwerkstrukturen – d.h. ohne bewusst planenden menschlichen Eingriff – eine Verteilung von Wertigkeiten auftritt, die als skalenfreie Verteilung bezeichnet wird.

Diese Art von Strukturen ist wesentlich weniger leicht überschaubar oder einzuschätzen. Im Gegensatz zu einer normalen Verteilung lässt sich in solchen Netzen mittels eines Durchschnittswerts keinerlei Aussage treffen. Bei einer skalenfreien Verteilung sind die vorhandenen Werte jeweils extrem hoch oder extrem nieder.

Umgelegt auf Knoten und Links bedeutet dies, dass es sehr wenige Knoten mit sehr vielen Links – und dem entsprechend mit einer sehr hohen Wertigkeit – und im Gegensatz dazu sehr viele Knoten mit sehr wenigen Links gibt – und damit einer geringen Wertigkeit. Eine Kurve dazu sieht in der Regel so aus wie die angezeigte Grafik. Diese Art von Netzwerkstrukturen lassen sich in Gesellschaft, Wirtschaft, im Internet, in der Biologie und in anderen Kontexten feststellen. Zieht man die Überlegungen in Betracht, die in den 1960er-Jahren angestellt wurden, um eine Netzwerkstruktur zu schaffen, die möglichst ausfallsicher sein sollte, so scheinen die Netzwerkstrukturen mit skalenfreier Verteilung andere Aspekte in Sachen Sicherheit zu benötigen. In einem skalenfreien Netz müsste einer der besonders wichtigen Knoten – einer der Hubs – betroffen sein, sollte das Netzwerk durch einen Ausfall oder einen Angriff gestört werden. Ein Aspekt, der die Wertigkeit der Hubs zusätzlich erhöht. Weiters sind besonders Effekte im Zusammenhang mit der Größe der beobachteten Systeme bemerkenswert und daher zu berücksichtigen. Das Prinzip der Skalenfreiheit – der sogenannten power law distribution – bleibt gleich, die Differenz zwischen den bestens verlinkten Knoten und den weniger gut verlinkten Knoten wird innerhalb größerer Systeme dementsprechend größer und signifikanter. Damit rückt die Entwicklung skalenfreier Netzwerke ins Blickfeld und die dabei beobachtbaren Prinzipien.

Die Tatsache, dass bereits gut vernetzte Knoten bei der Evolution skalenfreier Netzwerke mehr Links erhalten als bis dahin weniger gut vernetzte Knoten, widerspricht der Vorstellung, dass sich mit der Zeit Wertigkeiten ausgleichen würden. Diese Art von Fairness kann aus dem realen globalen Kontext nicht abgeleitet werden. Besonders dann nicht, wenn es um Reichtum und Erfolg geht. (Watts, 2003, S 108) Diesen Effekt hat der Soziologe Robert K. Merton als Matthäus Effekt (Merton, 1968) in Anlehnung an das Matthäus Evangelium bezeichnet. (Matthäus 25,29 – Wer hat, dem wird gegeben . . . ). Man findet dieses Prinzip in der Gesellschaft bei den Feststellungen, dass „die Reichen immer reicher würden“ -„the Rich get richer“ (Watts, 2003, S 108) und bei der Feststellung, dass „die erste Million die schwerste sei“ .*
*Wie der Volksmund sagt.