Das folgende Beispiel zeigt, dass es zum Erkennen eines Netzwerks der Vorstellungskraft eines Beobachters bedarf, der mittels der Definition von Knoten und Links und den daraus sich ergebenden Relationen ein Netzwerk innerhalb eines Verbunds = Systems ähnlicher Entitäten definiert. Daraus abgeleitet wird eine Darstellung, die Zusammenhänge und Wertigkeiten auch für andere Beobachter nachvollziehbar macht. Erste Schritte im Themenfeld der Graphentheorie werden dem Mathematiker Leonhard Euler zugeschrieben, der sich im Jahre 1736 mit dem sogenannten Königsberger Brückenproblem befasste (heute Kaliningrad). In der Stadt bildete der Fluss Pregel eine Insel – den Kneiphof – die mittels fünf Brücken erreichbar war, zwei weitere Brücken waren an anderen Stellen des Flusses platziert. Die Frage, die sich manche Bürger damals stellten: Lässt sich ein Weg finden, der über jede Brücke genau einmal führt?

Die Abhandlung darüber veröffentlichte Euler später an der Petersburger Akademie der Wissenschaften. (Wuppertal, 1998) Bezogen auf hier thematisierte Topologien von Netzwerken stellen diese sieben Brücken die Knoten dar – die zurückzulegenden Wege sind an diesem Beispiel die Links. Neben der Beschreibung dieser Wege mittels der von Euler formulierten Graphentheorie ist für die dargestellte Sichtweise vor allem interessant, dass die bildhafte Darstellung seit damals die Theorien von Netzwerken, welcher Art auch immer, begleiten. Damit werden für Beobachter, die mit den rein mathematischen, formelhaften Beschreibungen nicht vertraut sind, Zusammenhänge und Wertigkeiten offensichtlich. Die Art und Weise der Verlinkung von Knoten sowie die Wertigkeit und Anordnung von Knoten weist in unterschiedlichen Netzwerken auf unterschiedliche Abläufe hin. Somit scheint auf Basis einer Visualisierung der erkennbaren Relationen eine Kategorisierung von Netzwerktypen möglich zu sein. Aus diesem Blickwinkel scheint das einfachste mögliche Netzwerk gar kein Netzwerk zu sein.

Es lassen sich scheinbar aus dem Verhältnis dieser beiden Knoten keine netzwerkartigen Strukturen ableiten – fest steht nur, dass diese Knoten miteinander verbunden sind. Trotzdem ist dies die Beschreibung des kleinsten möglichen Netzwerks. Ein Netzwerk mit zwei gleichwertigen Knoten, die miteinander in Verbindung stehen. Sollte dieses Netzwerk sich erweitern, so ändern sich mit dem Anschluss jedes weiteren Knotens die Relationen innerhalb dieses Netzwerks. Die Aufmerksamkeit verlagert sich damit von der Beschaffenheit einzelner Elemente auf die sich im Laufe der Zeit verändernden Verbindungen und damit auch eine mögliche Zuordnung von Wertigkeiten. Mehr als zwei Jahrhunderte nach Leonhard Euler wurden die Grundlagen für das heute allgegenwärtige Internet gelegt, der Technologie, die viele Bereiche des lokalen und globalen täglichen Lebens maßgeblich beeinflusst. Das schon erwähnte ARPA Network bildete mit vier verbundenen Rechnern im Dezember 1969 die technische Grundlage für den Aufbau des Internets. Fünfzehn Jahre später – 1984 – wurde das Prinzip der Domain Name Server eingeführt, das es seither möglich macht, einzelne Server in dem seit damals exponentiell gewachsenen Netzwerk per Namen und nicht ausschließlich mit einer etwas kryptischen Zahlenkombination als Adresse (der sogenannten IP-Adresse) anzusprechen. (Richard, 2002)

Auf dieser technischen Grundlage wurden Dienste entwickelt, die unterschiedliche Arten von Kommunikation ermöglichten. So entstanden bereits ab den 1970er-Jahren unterschiedliche technische Protokolle – dies bedeutet in der IT bestimmte Regeln, nach denen miteinander verbundene Geräte digitale Signale austauschen und interpretieren – mit deren Hilfe über große Entfernungen kommuniziert werden konnte. Protokolle auf unterschiedlichen Ebenen werden dazu benötigt, um sowohl auf Hardwareebene den Austausch von Daten zur korrekten Herstellung und Aufrechterhaltung der Verbindung zu garantieren und darauf aufbauend den Datenaustausch der Anwendungssoftware ermöglichen zu können.

So wurde im Jahre 1971 von Ray Tomlinson, einem Wissenschafter bei Raytheon BBN Technologies, die erste elektronische Post versandt – seit damals werden Username und Servername durch das Zeichen at – @ getrennt, wie wir es heute beim Versand jeder E-Mail kennen. (Bauer, 2016) Alle Kommunikationswege auf unterschiedlichen Ebenen lassen sich als Netzwerke darstellen. Seit der Entstehung des World Wide Web am CERN ab 1989 und der Freigabe für die Öffentlichkeit im Jahre 1993 (CERN, 1993) hat sich somit die Anwendung und Auswirkung von Netzwerkprinzipien in Gesellschaft und Wirtschaft in einer rasant steigenden und sich steigernden Geschwindigkeit entwickelt. Damit einher gehen unzählige Veränderungen in der Medien- und Kommunikationslandschaft; schlussendlich auch in der Art und Weise sozialer Interaktion. Viele davon sind durch ein Phänomen gekennzeichnet, das in den vergangenen zwei Jahrzehnten mit Globalisierung und Digitalisierung einhergeht: dem Phänomen der Exponentialität. Eine Erscheinung, die sich auch in manchen netzwerktheoretischen Modellen im Zusammenhang mit der Entwicklung von Netzwerken finden lässt.