Das simple Beispiel einer Rechnung wie 1+1 = 2 erfordert die Setzung des Dezimalsystems als Grundlage. Würde ein binäres System als Basis der Be- rechnung dienen, wäre das Ergebnis 1+1=10. Eine Rechnung, die ohne das Wissen um die Berechnungsbasis in der Regel als falsch dargestellt wer- den könnte. Genau genommen kann diese Feststellung zugleich als wahr und als falsch dargestellt werden, solange das grundlegende System nicht festgelegt wird. Diese Aussage kann jedoch nie eine Aussage über die Welt sein, sondern ausschließlich in dem zuvor begrenzten Raum Gültigkeit ha- ben. Denn falls nicht das Dezimal- oder Binärsystem als Grundlage für diese Rechnung definiert wurde, handelt es sich trotzdem um eine Frage, die der Mathematik zugeordnet werden kann. Jede Aussage über ein komplexes System oder Komplexität ist als Beschreibung von Beobachtern zu werten, die bereits mittels Reduktion versucht haben, Phänomene der Welt zu erklären, obwohl sie die Welt nicht im Detail erfassen können.

Unter dieser Annahme trifft im Gegensatz zu komplex der Begriff kom- pliziert auf physisch entworfene Systeme von Menschen zu. Systeme, die auf erprobten oder zu erprobenden Ursache-Wirkungs-Abläufen bestehen.

Diese Maschinen machen meist das, wofür sie geplant sind. Wie oben dar- gestellt, liefert eine triviale Maschine eine erwartbare Ausgabe bei bekann- ter Eingabe. Der Begriff kompliziert repräsentiert etwas Konstruiertes, eine künstliche, zusammengesetzte Maschine, ein Ding oder ein System. Auch wenn dieses Ding sehr komplex erscheinen mag, bleibt es ein komplizier- tes Ding. Im Falle eines Defekts muss es nicht unbedingt seine gesamte Funktionalität verlieren und kann durch den Austausch eines Teils wieder- hergestellt werden kann. Ein solcher Defekt kann durchaus mit komple- xen Situationen oder einem menschlichen Fehler korrelieren. Die Maschine selbst bleibt kompliziert. Eine Einheit / ein System Mensch-Maschine ist jedoch auf Basis der Komplexität des Menschen eine komplexe Angelegenheit. „Jede Art von Leben ist daher als komplex zu betrachten“ . (Karban, 2015, S 67)

Nach Heinz von Försters gezeigter Darstellung eines komplexen Systems wird jedes System mit menschlicher Beteiligung immer komplex bleiben. Solcherart komplexe Beziehungen können zur gleichen Zeit räumliche und zeitbezogene Effekte bewirken. Diese beinhaltet den Effekt von Erwartungen in der Zukunft, die auf die Gegenwart wirken, und so aus der Gegenwart wieder Einfluss auf die Zukunft haben. Ein Aspekt, der wieder das Phänomen von Selbstreferenz und Zirkelschluss beinhaltet.

Ein typisches Beispiel in unserer von Ökonomie getriebenen Welt ist der Begriff des Marktes / der Märkte. Märkte können als komplexe Systeme gesehen werden, nicht wirklich berechenbar und von Erwartungen und aktueller Information geprägt. Erwartungen und tägliche Meldungen veranlassen Investoren und Unternehmer, sich zu engagieren, zu investieren oder zu verkaufen. Unterschiedliche Marktteilnehmer agieren auf Basis unterschiedlicher Interessen und Erwartungen, die noch dazu auf kulturellen und gesellschaftlichen Unterschieden beruhen. Man spricht gerne von der Unvorhersehbarkeit des Marktes bei gleichzeitiger Selbstregulierung, wobei die Selbstregulierung nicht unbedingt den Bestand garantieren kann.

Im Sprachgebrauch wird der Begriff Komplexität oft verwendet, um dar- auf zu verweisen, dass man etwas nicht zur Gänze überblicken könne. Dies kann einen komplexen Prozess beschreiben oder auch eine räumlich große Ausdehnung im Sinne eines Gebäudekomplexes. Hier trifft man auf eine gemeinsame Eigenschaft mit Netzwerken – je mehr Elemente – Knoten in Relationen zusammenwirken, desto geringer ist die Chance, diese komple- xen Situationen zu überblicken.

Umso wichtiger ist in diesem Zusammenhang das Bewusstsein, dass beobachtbare Prozesse innerhalb eines nicht trivialen Systems von einem Be- obachter getätigt werden, der selbst ein nicht triviales System ist. Auch wenn zur Beobachtung Messinstrumente, Computersysteme, mathemati- sche Funktionen etc. herangezogen werden, so obliegt die Interpretation der so erhaltenen Ergebnisse im letzten Schritt der menschlichen Beobachtung.

So entstehen mittels Selbstreferenz Rückkopplungsschleifen, welche essenzielle Auswirkungen auf komplexe Systeme haben und die Bildung von Strukturen und Netzwerken maßgeblich beeinflussen. Es entstehen so Abläufe und Muster, deren Beobachtung und Interpretation bei der Anwen- dung von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen großen Anteil hat. Eine Tatsache, die schließlich wieder auf das Ganze zurück wirkt.