Gerade Kommunikation und Interaktion mit und durch digitale Medien verlangt Vertrauen, einerseits in die Funktionalität der technisch genutzten Infrastruktur, andererseits in die Betreiber der Anwendungen, über deren Dienste man oft intimste Geheimnisse kommuniziert. Genauso notwendig ist Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Information, die über eine riesige Anzahl von Kanälen und Kommunikatoren auf jede und jeden von uns einströmt. Ein Faktor ist in diesem Zusammenhang besonders zu beachten. Ein garantiertes Grundrecht der Bürger demokratischer Staaten wird mit dem Briefgeheimnis formuliert. Dieses Recht regelt mittels Strafgesetz (in Österreich §118 StGB / in Deutschland §202 StGB) Verletzungen des persönlichen Lebensbereiches mittels Androhung einer Freiheitsstrafe.

Doch wer schickt heute noch einen verschlossenen Brief – sicherlich nur in Ausnahmefällen. Mit der Vernetzung der Welt wurden viele unterschiedliche Dienste entwickelt, die es ermöglichen, elektronisch zu kommunizieren. Die technische Struktur der Kommunikationswege bringt mit sich, dass elektronische Post, egal ob E-Mail oder andere Nachrichtendienste, über viele Netzwerkknoten ihren Weg zu den Adressaten finden.

Dabei ist auch die Mailbox der Empfänger nicht an deren Haustür, sondern ein Speicherplatz auf einem Computer im Rechenzentrum eines Dienstleisters. Würde man dies mit einem Brief in der analogen Welt vergleichen, so käme das der Situation gleich, als würde der Brief am Postamt bleiben. Bei Bedarf könnte man sich diese Nachricht dann vorlesen lassen.

Von Geheimnis also keine Spur.

Diese Thematik wurde bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten kontrovers diskutiert. Der Vorschlag, elektronische Kommunikation nur für Nachrichten zu nutzen, die ohnehin für den öffentlichen Raum bestimmt sind, wurde damals mit dem Hinweis auf das Briefgeheimnis vehement abgelehnt.(Der Autor war von 1998 – 2003 mit seinem Unternehmen im Rahmen von IT- und New Economy Messen präsent, wo diese Themen immer wieder diskutiert wurden.) Die technische Infrastruktur des Internets sollte nach meist vertretender Ansicht die demokratisch zugesicherten Rechte gewährleisten.

Der Fortschritt der Technik hat offensichtlich auch dafür eine Lösung gefunden, nämlich verschiedene Algorithmen zur Verschlüsselung, die Nachrichten für die Übermittler unleserlich machen sollen. Das Problem dabei, eine solche Praxis erfordert technisches Fachwissen, über das die Mehrzahl der Anwender nicht verfügt. Ein zusätzlicher Aspekt des Digital Divide.

Selbstverständlich gibt es auch Verschlüsselungstechniken, die technisch bereits implementiert sind. So bieten verschiedene Messenger Dienste eine sogenannte end-to-end (e2e) Verschlüsselung an, die garantieren soll, dass die Nachrichten sicher und damit für Fremde nicht lesbar sind. Bei der Kommunikation fallen jedoch sogenannte Verbindungsdaten an, die zeigen, wer, mit wem, wann, mit welcher Datenmenge kommuniziert – dies fällt meist unter den Begriff der Metadaten. Diese stehen den Anbietern von Nachrichtendiensten auf jeden Fall zur Verfügung.

Manche Dienste werden den Menschen als smarte Assistenten angeboten, die das Leben erleichtern sollen. Das diesen smarten Geräten entgegengebrachte Vertrauen wurde mehrfach erschüttert. Die Meldungen, nach denen die Anbieter von Sprachassistenten Mitarbeiter einsetzen, die aufgenommene Sprachnachrichten analysieren, gingen mehrfach durch die Medien. (Fuest, 2019) Das Argument des anbietenden Unternehmens: „Das Training von Alexa mit Aufnahmen von vielfältigen Kunden trägt dazu bei, dass Alexa für alle gut funktioniert. Wenn diese Einstellung aktiviert ist, werden Ihre Sprachaufnahmen möglicherweise bei der Entwicklung neuer Funktionen verwendet.“ (Fuest, 2019)

Diese erwähnte Einstellung ist als Standard-Einstellung bei diesem Gerät eingerichtet, sodass diese Daten jedenfalls übermittelt werden, falls man dies nicht selbst ablehnt. In der Datenschutz-Grundverordnung von 2018 werden solche Einstellungen im Art. 25 geregelt. „Datenschutz durch Technikgestaltung und durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen“ – privacy by design – privacy by default – würde solche Standard-Einstellungen grundsätzlich untersagen. (Pollirer u. a., 2017, S 72)

Dies ist nur eines mehrerer möglicher Beispiele, die zeigen, dass Unternehmen nicht so agieren, dass es gerechtfertigt wäre, ihnen Vertrauensvorschuss zu gewähren. Eine weitere Facette ergibt sich bei der Betrachtung von verwendeten Programmcodes diverser Anwendungen – denn viele Anbieter sehen darin eine Art Betriebsgeheimnis, sodass nicht überprüfbar ist, welche Daten die spezifischen Anwendungen bei jeder Kommunikation sammeln und übertragen. Es wird Vertrauen vorausgesetzt, das mit der Nutzung solcher Dienste gefragt ist.

Vertrauen, ein Begriff, der bei genauer Betrachtung bedeutet, nicht sicher sein zu können, dass ein Mensch, dem man Vertrauen schenkt, auch so agieren wird, wie man es erwartet. Ein Zustand des Nicht-Wissens, der Unsicherheit, wobei in der allgemeinen Verwendung von Vertrauen doch ein Aspekt der Sicherheit mitschwingt. Denn meist ist man sich sicher, jemandem oder einer Sache vertrauen zu können. Der winzige Anteil von Unsicherheit fällt dabei nicht ins Gewicht und wird durch die Gewissheit des Eintritts der eigenen Erwartung verdeckt. Im sozialen Kontext ein Phänomen, das in der Regel auf Wechselwirkung beruht und mit immer wieder erlebter Bestätigung eine Steigerung erfährt. Ein Effekt, den die bereits mehrfach erwähnte Erwartungserwartung Luhmanns (Luhmann, 1984, S 139 f) mit sich bringt.

Im Umgang mit digitalen Medien kann diese Erwartungserwartung, die im sozialen Kontext eine maßgebliche Rolle spielt, nicht in gleicher Art vorhanden sein. Erwartungen sind eher einseitig aufseiten der Menschen zu finden, die solche Medien nutzen. Die Erfüllung der Erwartung geht dabei mit der Bestätigung der je eigenen Meinung zu einem spezifischen Thema einher.

Die Erwartung der anderen Teilnehmer – der Betreiber der Sozialen Medien – bei dieser Art von Kommunikation liegt darin, die Daten der Nutzer mittels KI / AI so zu nutzen, dass sie deren Erwartungen erfüllen können. Einfach, um sie damit bei der Stange zu halten – was sich in vermehrter und wiederholter Nutzung der angebotenen Dienste manifestiert. Ein Blickwinkel, der die Bestätigung der Wirkung von sofortiger Befriedigung – instant gratification – offensichtlich werden lässt. Ob im Bewusstsein dieser Sichtweise oder nicht, es werden immer wieder Umfragen durchgeführt, die das Vertrauen abfragen, das digitalen Medien und sozialen Medien im Speziellen in der Bevölkerung zuteil wird.

So hat PWC Deutschland 2018 das Vertrauen der deutschen Bevölkerung in digitale Medien erhoben und dabei u.A. folgende Erkenntnisse daraus gewinnen können: Die Mehrheit der Deutschen – fast drei/Viertel – nutzt nach wie vor das Medienangebot des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zur aktuellen Information. In etwa 25 % nutzen Social Media, aktuelle Informationen zu erhalten. Wobei das Vertrauen in Social Media gesunken ist, insgesamt nur 40 % der Deutschen vertrauen einem Social-Media-Kanal, was mit fehlender Objektivität und der fehlenden Möglichkeit von Kontrolle begründet wird. Das am stärksten wirkende Argument für die Nutzung digitaler Medien ist und bleibt die Kostenfreiheit, wobei sich ca. die Hälfte gegen die Weitergabe von Daten ausspricht, während es 40 % egal ist, solange das Angebot gratis bleibt. (PWC, 2018)

Das bedeutet, mit dem Rückblick auf die ersten Jahre des Internets, in dem Gratis-Angebote die einzige Möglichkeit darstellten, Menschen für die Dienste zu interessieren, dass die damals eingeführte scheinbare Gratis-Kultur sich zu einem noch immer anhaltenden Trend manifestiert hat. Einen weiteren Aspekt könnte die allgemeine Erwartung in die Technik als Werkzeug zur Problemlösung und das damit gesteigerte Vertrauen in Technik darstellen.