Die Definition des Privaten ist nicht festgeschrieben, wie wir soeben festgestellt haben. Denn das Private und die Privatsphäre, beide sind ebenso wie die Gesellschaft insgesamt von Veränderungen betroffen. Das Wort privat stammt von lateinischen privare und bedeutete das Gegenteil der Res Publica. Dies steht für die antike römische Republik, eine Sache der Öffentlichkeit. Das Gegenteil davon waren somit die Angelegenheiten eines römischen Bürgers, die nicht der Allgemeinheit dienten, wiewohl ihm Ansehen und Ehre ausschließlich durch seine öffentlichen Auftritte zuteil wurden. Oft liest man eine wörtliche Übersetzung von privat als beraubt, was zu einer Interpretation führen könnte, das Private sei Raub an der Allgemeinheit. Das Private im Kontext der hier angestellten Betrachtungen ist schlicht als das von der Öffentlichkeit Getrennte zu sehen.

Diese Privatheit im Sinne der römischen Republik war allerdings keine individuelle, persönliche Sache, sondern auf das Haus des Bürgers bezogen. In diesem Haushalt lebten Eltern, Großeltern und Kinder sowie Sklaven oder Sklavinnen, wobei der Vater als Oberhaupt des Haushalts das Leben bestimmte.

Eine überaus hierarchisch strukturierte Organisation ohne eine Idee davon, was heute unter Privatsphäre zu verstehen ist. Mit dem Zerfall des römischen Reiches entstanden nach der Völkerwanderung andere Lebensformen, wo Menschen sich im Mittelalter zu Gemeinschaften zusammenschlossen, die Schutz vor Bedrohung bieten konnten. So entstanden Dörfer um Burgen und Klöster, die in der Gemeinschaft Sicherheit fanden und diese Gemeinschaft deshalb auch nicht verließen. (Duby, 1999, S 49)

Die Veränderung des Menschenbildes ab dem 17. Jahrhundert ließ das Private immer mehr zum Lebensmittelpunkt werden. Kriege, Revolutionen und Auseinandersetzungen dagegen fanden im öffentlichen Raum statt. Das private Zuhause entwickelte sich zu dem, was im Bürgertum des 19. Jahrhunderts als trautes Heim und gleichzeitig als Ort von Moral, Sitte und Anstand begriffen wurde. Die Aufgabenteilung, die damit einherging, würde man heute als Diskriminierung der Frau interpretieren. Der Familienvater stand seinen Mann in der fremden Öffentlichkeit, die Ehefrau und Mutter war für das Wohlergehen der Familie daheim verantwortlich. Privatheit war die Abgrenzung von Frau und Kindern von der Öffentlichkeit. (Heller, 2011, S36f)

Im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts wurde die Privatsphäre zunehmend mehr Bevölkerungsschichten zugestanden, die Familien konnten sich der patriarchalen Strukturen entledigen und die Formulierung der Europäischen Menschenrechtskonvention aus dem Jahr 1950 verspricht im Artikel 8 das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. In Österreich stehen die Bestimmungen der EMRK seit 1964 im Verfassungsrang. (Bundeskanzleramt Österreich, 2020)

Seitdem kann die Anerkennung der Privatsphäre als Symbol für die demokratische Orientierung eines Staates betrachtet werden. Dies geht mit dem Schutz der persönlichen Daten einher. Wobei die Thematik des Datenschutzes aus zumindest zwei Aspekten besteht.

Einerseits dem Schutz persönlicher Daten vor Missbrauch durch Organisationen, Behörden oder Unternehmen, denen Bürger ihre Daten zu Verfügung stellen, oder die diese Daten aus verwaltungstechnischen Gründen zur Verfügung haben. Andererseits erhebt sich die Frage der Datensicherheit, die sich damit auseinandersetzt, die Verfügbarkeit der Daten zu garantieren. Ersteres ist eine legistische und juristische Thematik, während die Sicherheit der Daten technische und organisatorische Vorkehrungen erfordert.

Wie schon im Beitrag Wo kommen die Daten eigentlich her? beschrieben, ergibt sich aus der weltumspannenden Kommunikation mittels aktueller Informationstechnologien die Herausforderung, die Regeln für den Schutz von – speziell personenbezogenen – Daten an den technischen Möglichkeiten zu orientieren. Wie man beobachten kann, hinkt die Adaption von gesetzlichen Regelungen der technischen Entwicklung sträflich hinterher.

Wohl auch deshalb, weil die technische und die legistische Seite systembedingt jeweils unterschiedliche Sprachen sprechen und auch in strukturell unterschiedlichen Zeitdimensionen agieren. Gleichzeitig repräsentieren die gespeicherten Daten ein riesiges Reservoir an auswertbarer Information. Analysen mittels KI und Machine Learning versprechen Einblicke und die Wahrscheinlichkeit, zukünftige Entwicklungen vorhersagen zu können. Besonders unter dem Aspekt von Sicherheit und der Abwehr terroristischer Aktivitäten – ein nun seit fast zwei Jahrzehnten omnipräsentes Argument – wird der Hinweis auf schützenswerte Daten für viele zu einem schwachen Argument, denn Sicherheit geht vor. Mit den vorhandenen Daten und dem zunehmenden Verlangen nach Sicherheit in einer komplexer werdenden Welt, liegt es nahe, dass manche, für Staatssicherheit verantwortliche Organisationen darauf bestehen, die Überwachung der Gesellschaft als probates Mittel zu betrachten.