Das Gute Leben, im Sinne der Ideen des Aristoteles, wurde schon mehrmals erwähnt. Seiner Auffassung nach ist das Ziel des Lebens, das Telos, das jedem Wesen innewohnt, das Erreichen von Vollkommenheit. Das Wesen Mensch als Zoon politikon, als in der Polis verwurzeltes Wesen, benötigt diese Gemeinschaft zwingend, um sein Ziel erreichen zu können. Gleichzeitig ist jeder Mensch dazu angelegt, zur Gemeinschaft und damit zu Wohle aller beizutragen. In seinem Streben nach Autarkie braucht jeder Mensch Kooperation, die mittels seiner Fähigkeit zu Kommunizieren am besten in einer geregelten Gemeinschaft zur Entfaltung kommt – dem Staat. (Rapp, 2001, S 55)
Die essenzielle Bedeutung von Kommunikation und Kooperation ist schon mehrmals angesprochen worden, es ist jedoch bisher nicht klar gewesen, dass diese Erkenntnis an die 2300 Jahre alt ist. Ein weiterer Hinweis darauf, dass weder das Wesen Mensch noch die grundlegenden Bedürfnisse von Individuum und Gemeinschaft sich in dieser Zeit maßgeblich verändert haben. Was sich verändert hat, sind die Umstände, unter denen Gemeinschaften sich organisieren, die Art und Weise wie Städte, Staaten und Bündnisse sich strukturieren und ihre jeweils eigenen Regeln definieren. Das politische Wesen Mensch sieht sich heute einer wesentlich komplexeren Welt gegenüber, als zu Zeiten des Aristoteles. Glaubt man statistischen Schätzungen, so haben um das Jahr 300 vor Christi Geburt ca. 150 Millionen Menschen auf der gesamten Erde gelebt, von denen wohl die Mehrzahl nicht wusste, wie viele andere Menschen es damals auf dieser Erde gab. Derzeit sind es etwa 7,7 Milliarden und die 8 Milliarden Grenze soll bald überschritten werden. Wollen Sie nochmals etwas zum Thema Exponentialität lesen? Nein. Es soll nur verdeutlicht werden, dass es auf unserem Planeten mehrere parallele Entwicklungen gibt, die dem Prinzip der Exponentialität folgen.
Sobald ein Mensch, aufgrund vielfacher paralleler Entwicklungen und Tendenzen, nicht mehr in der Lage ist, die vorhandene Fähigkeit zu Kommunikation zu nutzen und geht so die Bereitschaft zur Kooperation verloren, verliert dieser Mensch auch die Grundlage des Lebensziels. Die Suche nach Ersatz gestaltet sich schwierig und äußert sich schließlich in Verweigerung von Kommunikation und Kooperation. Was sich politisch vermehrt in nationalistischen und populistischen Tendenzen äußert, die Schuld im Außen sucht und einfache Lösungen fordert. Die Bürger, in ihrem Bestreben, die Gemeinschaft zu restaurieren, erhoffen sich Lösungen, die jedoch an der Komplexität der Welt zum Scheitern verurteilt sind. Denn ein einmal eingeschlagener Weg darf, glaubt man, auf keinen Fall wieder verlassen werden. Man müsste dann einen – oder mehrere – Fehler eingestehen. Das Bewusstsein, nur aus Fehlern lernen zu können, hat sich bisher scheinbar nicht durchgesetzt. Und so bleibt man bei einer vorgefassten Meinung, verweigert den Diskurs und beharrt auf entweder – oder – ohne einen Gedanken darauf zu verwenden, mit der Fähigkeit zu kommunizieren und zu kooperieren einen Weg des sowohl + als auch finden zu wollen.
Denn Kooperation vieler Elemente lässt schließlich in komplexen Situationen etwas Neues entstehen, auch oder gerade aus einer chaotischen Situation. Fast wie von selbst. (Kauffman, 1996) Etwas Neues, das mehr ist, als die Summe der einzelnen Teile. (Aristoteles, 1904, VII 1041b) Die Voraussetzung dabei: der Grad der Komplexität muss verständliche Kommunikation zulassen. Mit dem Blick auf Netzwerke bedeutet ein geringes Maß an Komplexität, dass die Größe der Netzwerke begrenzt ist. Bei einem hohen Maß an Komplexität, wie wir es heute in einer globalen Welt vorfinden, ist der Aufwand für erfolgreiche Kommunikation zwischen allen Elementen zu groß, die notwendige Energie ist nicht verfügbar. Dies führt zu hierarchischen Strukturen, dominanten Hubs und extrem heterogenen und daher problematischen Machtverhältnissen bei Digitalisierung und somit auch in Wirtschaft und Politik.