Die rasante Verbreitung von Desinformation – Fake News konfrontiert uns immer wieder mit der Frage, wie dies möglich sei. Liegt es allein an der technischen Umsetzung oder auch daran, wie Menschen mit Information umgehen?

Hier kann die bereits erwähnte Einerseits „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ als Erklärung herhalten, weiters spielen menschliche Erwartungen hier eine schwerwiegende Rolle. Der Sozialtheoretiker Niklas Luhmann konnte darstellen, wie Erwartungen, die wir alle an unser Gegenüber stellen, Kommunikation und Sichtweise beeinflussen. Luhmanns Funktion der Erwartung wird im soziokulturellen Umfeld verstärkt durch die Erwartung einer Erwartung, der mehrfachen Kontingenz von Erwartungserwartung – diese Erwartungserwartung wirkt gleichsam als zukünftiger Zustand auf unsere Entscheidungen.

Die Theorie Luhmanns konnte seinerzeit nicht von einer Erwartung gegenüber Angeboten in einer virtuellen Welt ausgehen. Luhmann betrachtete die zwischenmenschliche Kommunikation. Allerdings haben wir uns in der Zwischenzeit darauf eingelassen, die Unterhaltungen mit Familie und Freunden zum Großteil über digitale Dienste zu führen und geben damit einen Großteil unserer Erwartungen jemandem preis, der mit diesen Daten durchaus etwas anfangen kann. Aus dem Konglomerat von Verhaltens-, Mobilitäts-, Informations- und Kommunikationsdaten sind Algorithmen in der Lage unsere Bedürfnisse und Wünsche mit ziemlicher Genauigkeit im Voraus zu berechnen.

Dies vermittelt den Nutzern dieser Medien das Gefühl Teil einer Sinnesgemeinschaft zu sein. Gleichzeit werden scheinbar Bestätigungen für die Richtigkeit der eigenen Meinungen, Emotionen und Sichtweisen verteilt und dafür Anerkennung ausgesprochen. Was braucht Mensch mehr als die scheinbare Erfüllung und Bestätigung seiner Erwartungen?

Sollten wir trotzdem in die Situation kommen, die uns vor die Aufgabe stellt, eine komplexe Angelegenheit zu lösen, brauchen wir nicht, wie vor 25 Jahren noch, unsere Vergangenheit nach einer Entscheidungshilfe zu durchsuchen. Damals konnte uns ein ähnlich erscheinendes, früher erfolgreich gelöstes Problem helfen. Heute kann uns ein Algorithmus dieses Problem abnehmen und damit eine Lösung anbieten, d.h. unsere Erwartungen erfüllen. Der Aufwand für uns ist ungleich geringer, als müssten wir selbst Lösungen für alltagliche Probleme finden. Dies kann als Basis des Erfolgs dieser Dienste angesehen werden – dass damit Werte wie Kreativität und Freiheit von Entscheidungen unter anderen Prämissen als bisher zu betrachten sind, wird derzeit noch ausgeblendet. Unsere eigene Problemlösungskompetenz wird dadurch allerdings minimiert.