Nach der Lektüre von Shoshanna Zuboffs „Das Zeitalter des Überwachungskapitalimus“ und anderen Schriften, die sich mit dystopischen Auswirkungen der Digitalisierung auseinandersetzen, fällt es schwer, daran zu glauben, dass dies möglich sein wird – die Aufgabe scheint äußerst schwierig. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die schwierigsten Aufgaben sich oft als notwendig erweisen, um in komplexen Situationen das erwünschte Gleichgewicht und damit einen Aspekt von Stabilität herstellen zu können. Dies kann nicht bedeuten einen Status Quo aufrecht erhalten zu wollen; im Gegenteil, es geht darum mit dem Wissen um die Vergangenheit und dem Verständnis der, den auftretenden Phänomenen zugrunde liegenden Prinzipien, eine Vorstellung der gesellschaftlichen Zukunft zu entwerfen und damit in einen Dialog zu treten.

Die Digitalisierung und deren Auswirkungen auf Gesellschaft, Ökonomie und damit auf die Lebensgrundlagen aller Menschen zeigt Abläufe, wie sie schon mehrmals in der Geschichte der letzten Jahrtausende aufgetreten sind. Der Einsatz neuer Technologien beschleunigt diese jedoch um ein Vielfaches im Vergleich zu Beobachtungen in der Vergangenheit und umspannt gleichsam in Echtzeit die gesamte Welt.

Es stellt sich nicht die Frage, ob Digitalisierung und alle damit einhergehenden Entwicklungen umfassend und vielgestalt in sämtliche Lebensbereiche eingreift, sondern wie Gesellschaft und Politik auf die damit einhergehenden Veränderungen reagieren. Es ergibt sich die Notwendigkeit, sich mit den grundlegenden Prinzipien der beobachteten Veränderungen auseinandersetzen und Vorstellungen zur Gestaltung einer humanen digitalen Gesellschaft zu formulieren.

Der Begriff „Digitalisierung“

beinhaltet ein vielschichtiges Spektrum von unterschiedlichen Anwendungen und Praktiken im Bereich der Informationstechnologien und Automatisierung. Immer abhängig davon, aus welcher Sicht jeweilige Beobachter/innen argumentieren. Transdisziplinärer wissenschafttlicher Diskurs von Geistes- und Sozialwissenschaften und IT- und Kommunikationswissenschaften mit kritischem Blick auf in der Vergangenheit mühsam erarbeitete Erkenntnisse gepaart mit Vorstellungskraft und Kreativität zur Entwicklung einer humanistisch und menschlich orientierten digitalen Zukunft.
Schlagworte wie Breitbandausbau, Laptops und Tablets in Schulen, die Bedienung von Computern, Smartphones und hippen Gadgets oder das Erlernen von „Coding“ als taktische Vorhaben zu nennen, wie dies bei politischen oder ökonomisch motivierten Veranstaltungen im deutschsprachigen Raum der Fall ist, mögen nett klingen, sind aber bei weitem nicht ausreichend. Es mag von essentiellem Interesse für wirtschaftlichen Erfolg in manchen Bereichen sein, mit digitalen Geräten kommunizieren und arbeiten zu können.

Der Hinweis auf „Algorithmen“ und „künstliche Intelligenz“ klingt jedoch mehr nach Glaubensbekenntnis, gerichtet an einen scheinbar göttlichen Auftrag der Technik, und vernachlässigt dabei gerne den Blick auf Menschen.

Ein Blick zurück

Die Frage nach einem „guten Leben“, wie sie Philosophen aller Kulturkreise seit jeher stellten, der Umgang mit und eine mögliche Auflösung von Widersprüchen, somit die Notwendigkeit das Lösen von Problemen als zentralen Aspekt des Lebens zu betrachten, wird uns auch in einer „digitalisierten Welt“ begleiten.

So lässt sich vermuten, dass die Betrachtung vergangener Erkenntnisse und der daraus ableitbaren Prinzipien durchaus Hilfestellung bei der Beantwortung aktueller Fragen leisten kann. Karl Poppers Feststellung „Alles Leben ist Problemlösen“ und der grundlegende Gedanke der Philosophie Friedrich Nietzsches „Die ewige Wiederkehr des Gleichen“ gemeinsam gedacht, lässt vermuten, dass uns Menschen die gleichen Probleme unter anderen Gesichtspunkten und in veränderten Zusammenhängen immer wieder auferlegt werden.

Bei der Betrachtung der Definition und der Anwendung von „Künstlicher Intelligenz“ wird uns dieses Prinzip wieder begegnen, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so erscheinen mag. Die Kompetenz zur Lösung von Problemen – eine mögliche Beschreibung von Intelligenz – benötigt zwingend Erfahrung. Diese Erfahrung sind bei „Künstlicher Intelligenz“ in der Vergangenheit gesammelte Daten.

Man könnte argumentieren, dass es doch neben der Lösung von Problemen viele Tätigkeiten für Menschen gäbe, die sie gerne um ihrer selbst Willen ausüben. Darunter fielen darstellende und bildende Kunst, Sport, Reisen und noch viel mehr. Dies würde allerdings bedeuten, den Begriff des Problemlösens zu eng zu sehen. Popper hätte sämtliche menschlichen Aktivitäten als Problemslösungstechniken interpretiert.

Damit fällt der Blick auf die menschliche Erkenntnisfähigkeit und daran anschließend auf möglicherweise erfolgsversprechende Handlungsanleitungen.