Seit Beginn der Covid-19 Infektionen werden wir laufend mit Zahlen gefüttert. Der Blick auf sich entwickelnde exponetielle Kurven der Infektionen fordert uns heraus. Mensch ist nämlich nicht in der Lage, sich solche Entwicklungen konkret vorstellen zu können. Sich auf solche Zukunftsszenarien einzustellen, ohne sich eine Strategie zurecht zu legen ist überhaupt unmöglich. So werden die täglich, gar stündlich präsentierten Zahlen zu einem Hinweis, in welche Richtung die Entwicklung zeigt. An diesen Zahlen orientieren sich mit immer wiederkehrenden Schlagzeilen Medien jeder Art und eine Unzahl von KommentatorInnen und ExpertInnen geben ihre Meinungen und Eindrücke dazu ab.
Das ist gut so für die Psyche, da der erste Schritt um Umgang mit einer Krise die notwendige Analyse des Ist-Zustandes ist. Dazu gehört auch eine geplante Vorgangsweise, wie das Ergebnis dieser Analysen einer breiten Öffentlichkeit präsentiert wird. Ein nächster Schritt sollte dann die aus dieser Analyse getätigten Schlussfolgerungen – sprich daraus abgeleitete Handlungen – festschreiben. Dazu gehört im Vorfeld ein möglichst kurzer Diskurs, denn in Zeiten einer sich exponentiell ausbreitenden Pandemie, bedarf es schneller Handlungen, um eben diese Ausbreitungen eindämmen zu können.
Damit sind wir bei einem Aspekte, der den Umgang mit der Krise erschweren kann, denn wer schnell handelt ist anfällig für Fehler. Noch dazu in einer Situation, für die es keinerlei Erfahrungswerte geben kann, weil eine derartige Pandemie in der Neuzeit (zum Glück) bisher nicht vorkam. Seit dem 12.3.2020 erleben wir in Österreich eine Regierung, die vermittelt, dass sie alle möglichen Handlungen setzt, um die Ausbreitung der Pandemie zu verhindern. Das ist wieder gut so. 🙂
Man sollte annehmen, dass auch die Art und Weise der Bekanntmachung der einzelnen, zum Teil den täglichen Ablauf der Bevölkerung sehr einschränkenden Maßnahmen, einem Entwicklungsprozess unterworfen ist. Das heisst, dass Aktionen und Reaktionen evaluiert und verbessert werden. Davon ist allerdings wenig zu merken. Seit Beginn der Maßnahmen werden immer wieder Maßnahmen kolportiert, von der Regierung umgehend dementiert und dann wenige Tage später doch umgesetzt.
So geschehen Donnerstag, den 12.3.: In sozialen Medien wurde die Nachricht verbreitet, dass es ab dem 16.3. zu einer Art Lockdown kommen könnte. Mich persönlich informierte ein Freund, der eine diesbezügliche Information aus dem Innenministerium erhalten hatte. In einer eilig einberufenen Pressekonferenz wurden diese Nachrichten als Fake News abgetan. Trotzdem waren die Supermärkte am 13. und 14.3. einem Ansturm von Menschenmassen ausgesetzt. Das Gedränge in überlangen Schlangen vor den Kassen – manche Kunden mussten bis 2,5 Stunden warten – hat sicher die Virusübertragung nicht behindert. Zudem wurden, allen Dementi zum Trotz, am Montag, den 16.3. die Maßnahmen in dem bekannten Ausmaß Realität.
Annähernd gleich gestaltete sich die Anordnung, beim Einkauf in Supermärkten sogenannte MundNasenSchutzmasken zu tragen. Diese MNSmasken waren Wochen zuvor immer als ungeeignet bezeichnet worden – denn sie würden nicht schützen. KommentatorInnen in Radio, TV, Print- und Onlinemedien mussten ausrücken um diese Botschaft zu verbreiten. Im Gegensatz dazu hörte man von Virologen und anderen Medizinern, dass diese MNSmasken sehr wohl die Ausbreitung des Virus minimieren können – sie seien zwar wenig bis kein Schutz für die TrägerInnen, jedoch ein probates Mittel, andere Menschen als asymptomatisch Infizierter nicht anzustecken.
Unsere Regierung macht einen guten Job!
Doch sie vermittelt uns, dass sie in gewisser Weise im Blindflug agiert!
Wie im Beitrag über die Modellrechnungen zur Exponentialität angesprochen, geht es in einer derartigen Situation im ersten Schritt um die Analyse der erkennbaren Elemente (vorhandenen Ressourcen und Erkenntnisse), die essentiell für den Aufbau einer Strategie notwendig erscheinen. Aus dieser Analyse werden mögliche Entwicklungen abgeleitet.
Daraus ergeben sich aus den Berechnungen der Wissenschafter unterschiedliche Szenarien mit einer Bandbreite zwischen Best Case und Worst Case. Und eine vielfältige Anzahl wahrscheinlicher Fälle zwischen beiden Extremen. Aus dieser Analyse lassen sich strategische Pläne ableiten, die, je nach Entwicklung der tatsächlichen Fallzahlen, bestimmte Handlungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten zur Folge haben. Es würde also strategische Pläne sowohl für den Worst Case als auch für den Best Case geben und dazu detaillierte Ausführungen, was zu tun ist, sobald die mit der Zeit tatsächlich erreichten Zahlen bei welchen Werten innerhalb der Bandbreite liegen.
Es wird uns jedoch in fast täglich einberufenen – manche Tage bis zu 4 – Pressekonferenzen klar gemacht, dass die Regierung täglich die Zahlen der Infizierten, Hospitalisierten, Intensivpatienten, Verstorbenen und Genesenen betrachtet und dann auf Basis der daraus ableitbaren Entwicklung mit Experten Entscheidungen trifft, welche Maßnahmen in den nächten Tagen in Kraft treten.
Diese Taktik scheint zumindest zwei Überlegungen geschuldet. Einmal ist die Regierung damit ohne Unterlass in sämtlichen Medien präsent und vermittelt so intensivstes Krisenmanagement zu betreiben. Zum Zweiten bleibt mit dieser taktischen Ausrichtung in der Bevölkerung eine gewisse Verunsicherung bestehen, die es ermöglichen könnte, Maßnahmen zu setzen, die stärkere Restriktionen mit sich bringen würden, als zur Eindämmung der Pandemie wirklich notwendig wären. Dazu würde auch passen, dass von unterschiedlichster Seite auch immer wieder digitale Überwachungsmaßnahmen angedacht werden, die nicht im Detail definiert werden, sondern einfach unter Big Data subsummiert werden. Vielleicht auch um zu testen, wie weit man gehen könnte …?